Sonntag, 24. September 2017

Anstoßzeiten

 
Im Rahmen der Proteste gegen den DFB wollen wir uns heute mittels Spruchband und diesem Flyer mit einem Thema an die Öffentlichkeit wenden, das uns alle Woche für Woche aufs Neue betrifft und ärgert: Anstoßzeiten. 

Gerade als Fans eines Zweitligavereins stoßen uns Anstoßzeiten oft sauer auf. Freitags um 18.30 Uhr oder Montagabends pünktlich auf der Matte zu stehen schaffen viele wenn überhaupt gerade so. Um im Hinblick auf TV-Übertragungen Überschneidungen mit der 1. Liga zu vermeiden, werden die Spiele der 2. Liga zudem bereits Mittags angepfiffen und attraktive Partien Montagabends um den TV-Partnern ein möglichst lukratives Geschäft zu ermöglichen. Aber auch die 1. Liga hat nun mit neuen Anstoßzeiten unter der Woche zu kämpfen. An fünf Spieltagen einer Saison soll auch dort nun ein Spiel am Montagabend stattfinden und ein zusätzliches am Sonntagmittag, während das späte Spiel noch später stattfindet, was Auswärtsfans vor weiteren Stress stellt. Laut der Deutschen Fußball-Liga (DFL) in erster Linie um Europa-League-Teilnehmer, die am Donnerstag ihre Spiele austragen, zu entlasten. Eine durchaus legitime Begründung, der aber auch schon mit den bisherigen Partien am Sonntagnachmittag bzw. -abend Genüge getan wurde. Darüber hinaus wurde das erste Montagabendsspiel - offiziell aufgrund der Belastung durch den 1. Mai, wer's glaubt wird selig - der Bundesliga bereits im April 2016 ausgetragen: Zwischen Bremen und Stuttgart. Zwei Mannschaften die bekanntlich seit Jahren recht weit davon entfernt sind, im internationalen Geschäft mitmischen zu können. 

„Internationales Geschäft“ ist in dieser Thematik aber durchaus das richtige Stichwort. Jedoch nicht aus Gründen der Entlastung der dort spielenden Mannschaften, der Begriff darf hier wörtlich genommen werden: Der DFL geht es um lukrative Vermarktung, um den internationalen bzw. europäischen Vergleich, um Fernsehgelder. Die englische Premier League nimmt hier mit 2,75 Milliarden Euro TV-Geldern unumstritten den Führungsplatz ein, sogar ein Absteiger bekommt dort mehr Gelder als der FC Bayern. Astronomische Summen, mit denen der deutsche Fußball nur allzu verzweifelt versucht mitzuhalten. Fernsehgerechte Zeiten sind also in dieser Disziplin das Ziel und sollen durch Spieltagszerstückelung erreicht werden. Aus der Sicht der DFL nur allzu verständlich, doch was in dieser kühlen Berechnung viel zu kurz kommt sind die Interessen derer, denen der deutsche Fußball eben auch seine Attraktivität zu verdanken hat: Uns Fans. 

Wir, die durch Choreos, Stimmung und volle Stadien natürlich auch Teil der Vermarktungsmaschinerie geworden sind. Dieses Alleinstellungsmerkmal der Bundesliga wird von Offiziellen nur zu gerne breit getreten und natürlich auch vermarktet. Drum sollte gerade die Basis dieser Vermarktungsstrategie auch im Hinblick auf das internationale „Geschäft“ beachtet und nicht über alle Maßen ignoriert werden. Als (wie alle Erst und Zweitligisten) Mitglied der DFL, welche ihrerseits ordentliches Mitglied des DFB ist, hat übrigens auch der MSV dort Mitspracherechte und könnte für eigene Belange oder die der Fans eintreten. 

Aber auch die – unstreitig weiterhin berechtigte – Leier von Krankenscheinen, Urlaubstagen und Stress nur um Spiele zu sehen dürfte mittlerweile bekannt sein. Auch bekannt ist, dass die DFL Faninteressen meistens, wenn überhaupt, an letzter Stelle einfließen lässt – im Gegensatz zu Wünschen der Polizei, vermeintlich „gefährliche“ Spiele mit Begründungen wie sich kreuzende Anfahrtswege auf für Fans ungünstige Termine zu legen. All das strapaziert die Nerven aller Fans seit Jahren, wurde jedoch kaum bis gar nicht berücksichtigt. Schaut man sich die zunehmende Zerstückelung der Anstoßzeiten auf die unmöglichsten Termine trotz konstruktiver Vorschläge von Fanorganisationen wie „Pro Fans“ an, muss man schon von Ignoranz sprechen - Ingolstadt auswärts an einem Dienstag lässt grüßen. Diese Interessen zum Ausdruck zu bringen und negative Zustände oder Veränderungen wie Montagsspiele konkret anzusprechen ist richtig und wichtig. Noch wichtiger ist allerdings sich der Wurzel des Problems bewusst zu werden: Der immer fortwährende Kampf sich im internationalen Vergleich in eine bessere Position zu hiefen. Diesem berechtigten Interesse stehen auch etliche andere und schwerwiegende Interessen gegenüber. Hier sprechen wir nicht nur über den Wunsch Spiele seines Vereins auch ohne Urlaubstage oder Krankenscheine sehen zu können, sondern beispielsweise auch über den Amateurfußball, der ja nun auch eine Säule des Erfolgs ist. Derzeit wird all dies mit Füßen getreten und TV-Rechte an mittlerweile sieben Sender verschachert, um im internationalen Vergleich mithalten zu können. Somit ist es an uns Fans sowohl Symptome aufzuzeigen und dagegen zu protestieren, aber auch die Wurzel des Übels zu benennen und zu kritisieren. Nur dann können Anstoßzeiten auf längere Sicht vielleicht auch wieder im Sinne der Fans gestaltet werden.