Mittwoch, 18. April 2018

Spruchbanderklärung: Neue Polizeigesetze


Im Zuge des letzten Heimspiels gegen den SV Sandhausen zeigten wir mehrere Spruchbänder, von denen sich zwei auf die Thematik der geplanten erneuerten Polizeigesetze bezogen. Im Wortlaut lauteten diese "Bestrafung vor der Tat? Willkürlich, populistisch, zu hart! In Bayern, NRW und anderswo: Neue Polizeigesetze verhindern!" und "Die drohende Gefahr sind weniger Grundrechte Jahr für Jahr". Doch worum geht es hier eigentlich genau?
 


Wer in den letzten Wochen mal einen Blick über den Tellerrand, in die Zeitung und in die Fankurven Bayerns gewagt hat, dem wird das Thema „neues Polizeigesetz in Bayern“ nicht gänzlich unbekannt vorkommen. Anfang Februar beschäftigte sich der bayrische Landtag mit einem Gesetzesentwurf, der die polizeilichen Möglichkeiten der Prävention erweitern soll- hauptsächlich genanntes Ziel der CSU ist hierbei eine „effiziente Terrorabwehr“. Bereits im Juli letzten Jahres wurden einige Verschärfungen im Polizeigesetz vorgenommen, wie z.B. das Erlauben von Bodycams bei Polizisten, wenn diese private Wohnungen betreten, die Verlängerung der Präventivhaft auf drei Monate (mit möglicher Verlängerung) und die Genehmigung von Fußfesseln für sogenannte Gefährder. Diese Neuerungen scheinen aber der Landesregierung im Freistaat noch nicht auszureichen: so sollen demnächst noch weitere Änderungen vorgenommen werden. Schlagwörter hier sind die längere Speicherung von Kameraaufzeichnungen, das präventive Überwachen von Messenger-Diensten wie WhatsApp, Kontakt- und Aufenthaltsverbote für drei Monate und – Achtung, jetzt wird’s richtig gruselig – der polizeiliche Einsatz von Handgranaten. Dass sämtliche bayrische Fanszenen bereits in Form von Spruchbändern und ähnlichen Wegen protestierten, verwundert bei all diesen absurden Ideen nicht weiter. Wer sich jetzt denkt „ach, typisch für Bayern, die übertreiben mal wieder völlig, das kann uns ja egal sein“, der mag grundsätzlich vielleicht erstmal Recht haben, darf aber nicht außer Acht lassen, dass auch unsere allseits beliebte Landesregierung aus CDU und FDP fleißig an einer Erneuerung des Polizeigesetzes werkelt. 


Medial bei weitem nicht so ausgeschlachtet wie das „härteste Polizeigesetz seit 1945“ aus Bayern, hat die nordrhein-westfälische Landesregierung auch schon einen Gesetzesentwurf aus dem Ärmel geschüttelt, der nicht gerade Begeisterung aufkommen lässt. Das von Innenminister Reul als „Sicherheitspaket gegen Terror und Alltagskriminalität“ verkaufte Gesetz soll der Polizei ermöglichen, bei der sogenannten „drohenden Gefahr“ eingreifen zu können. Dieser Begriff soll eingeführt werden, um mehr Präventionsmaßnahmen zu ermöglichen. Diese Präventionsmaßnahmen schließen die präventive Überwachung von Messengerdiensten, die Ausweitung der Videoüberwachung, Fußfesseln für Gefährder, die Verlängerung von Unterbindungsgewahrsam, erweiterte Aufenthalts- und Kontaktverbote, Aufenthaltsgebote und Schleierfahndungen ein. Außerdem soll der polizeiliche Waffenkatalog durch die Nutzung von Elektroschockern erweitert werden. 


Nun stellt sich die berechtigte Frage, in welchem Maße uns als Fußballfans diese neuen Gesetze treffen werden. Die Antwort ist recht simpel, aber umso erschreckender: zwar werden die verschärften Polizeigesetze von den jeweiligen Regierungen als Absicherung gegen Terrorismus gepriesen, jedoch ist nirgendwo in den Entwürfen vermerkt, dass sich die jeweiligen Maßnahmen nur gegen (mutmaßliche) Terroristen richten dürfen. Der Wortlaut aus dem nordrhein-westfälischen Entwurf besagt: „Eine drohende Gefahr liegt vor, wenn im Einzelfall hinsichtlich einer Person bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass die Person innerhalb eines absehbaren Zeitraums auf eine zumindest ihrer Art nach konkretisierte Weise eine Straftat von erheblicher Bedeutung begehen wird.“ Lässt man diesen Satz mal in Ruhe sacken und geht nochmal einzelne Stellen durch, wird schnell klar: diese Definition könnte sich je nach Belieben der Polizei unterschiedlich auslegen und sich subjektiv interpretieren. Auch wenn das Gesetz sich angeblich nur auf Terroristen beziehen soll- ganz ausschließen lässt sich eine erweiterte Anwendung auf andere Personen oder Personenkreise sicherlich nicht!


Gerade Fußballfans sind bekanntlich bei der Polizei nicht allzu beliebt, sodass die „bestimmten Tatsachen“, die angeblich eine Straftat wahrscheinlicher machen, vielleicht auch schon der Besuch eines Hochrisikospiels oder die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Fangruppierung sein könnten. Der Polizei soll also demnächst freigestellt werden, nach eigenem Ermessen mögliche Gefährder zu erkennen und sie mit den oben genannten Maßnahmen an der Ausführung irgendwelcher eventueller Straftaten zu hindern. Dass diese Maßnahmen ein gewaltiger Einschnitt in die Privatsphäre der betroffenen Person darstellen, muss ich hier wohl nicht weiter ausführen. Ohne einen konkreten Bestand einer Straftat dürfen hier Menschen in ihrer privaten Kommunikation überwacht werden, in Unterbindungsgewahrsam genommen werden (für Hooligans soll übrigens eine Woche die Richtlinie werden) und mit Aufenthalts- und sogar Kontaktverboten belegt werden. Der Polizei wird also eine Autonomie zugeschrieben, die angeblich für mehr Sicherheit sorgen soll. Gleichzeitig bedroht diese Autonomie in Kombination mit den erweiterten Handlungsmöglichkeiten die Freiheit eines jeden Bürgers, der möglicherweise in das Raster der „drohenden Gefahr“ fällt. Es geht also hier um die Frage, in welchem Verhältnis die abgegebene Freiheit zu der möglicherweise erhaltenen Sicherheit steht, oder in anderen Worten: sichern die neuen Polizeigesetze wirklich unser Leben, oder schränken sie es nicht erheblich ein? Gerade die Tatsache, dass die genannten Maßnahmen alle VOR einer Straftat stattfinden sollen, lässt einen an der Sinnhaftigkeit dieser zweifeln. Die Einschätzung, ob von einer Person eine drohende Gefahr ausgeht, kann nie rein objektiv sein und führt zu möglichen Einschränkungen, die völlig unbegründet und willkürlich sind. Es trifft einen also eine Strafe, bevor man überhaupt etwas getan hat, was aus rechtlicher Sicht bestraft werden müsste. Ein kurioses Absurdum… 


Dementsprechend kritisch werden die neuen Polizeigesetze beispielsweise von der Opposition oder der Strafverteidigervereinigung betrachtet. Aber auch wir als Bürger und speziell als Fußballfans, die höchstwahrscheinlich auch von den neuen Polizeigesetzen betroffen sein werden, sollten die aktuellen Entwicklungen nicht schweigend hinnehmen und das Thema in der Öffentlichkeit thematisieren und präsent halten. 


IN BAYERN, NRW UND ANDERSWO:
NEUE POLIZEIGESETZE VERHINDERN!